Herr Regierungsrat Kölliker, welche Bedeutung hat das deutliche Ja der Stimmbevölkerung zum neuen HSG-Campus am St.Galler Platztor?
Es ist ein Meilenstein in der über 120-jährigen Geschichte der Universität. Es gilt daher, der
St.Galler Bevölkerung einen grossen Dank auszusprechen für die Weitsicht, welche sie mit ihrer Zustimmung zum Bauprojekt Platztor gezeigt hat, und für das Vertrauen, das sie damit der HSG ausspricht. Insbesondere möchte ich dem Rektorat für die hervorragende Arbeit der vergangenen zehn Jahre im Bereich der regionalen Verankerung danken. Wie das Abstimmungsergebnis zeigt, konnte das Image der HSG in der Bevölkerung, vor allem in der Stadt, deutlich verbessert werden.
Herr Rektor Bieger, wie wichtig ist der Campus Platztor aus Ihrer Sicht?
Der Wettbewerb unter Hochschulen ist heute intensiv und global. Als öffentliche Universität ist es uns sehr wichtig, zur Chancengleichheit in der Bildung in der Schweiz beizutragen. Während im Ausland vergleichbare Privatunis teils horrende Studiengebühren erheben, möchten wir mit unserem Finanzierungsmodell mit einer Kombination öffentlicher und unternehmerisch eingeworbener Mittel im Wettbewerb unter den Top-Wirtschaftsuniversitäten eine Spitzenposition behalten – aber eben gleichzeitig auch zugänglich für alle qualifizierten Studierenden bleiben. Umso glücklicher bin ich über die Zustimmung zum Kantonsbeitrag von 160 Millionen Franken an den künftigen Campus Platztor. Der Campus schafft die dringend notwendigen Raumkapazitäten für die Studierenden. Er ermöglicht aber auch im Zeitalter der Digitalisierung einen Mehrwert durch persönliche Interaktion und modernen Präsenzunterricht. Die HSG muss ihre Studierenden zu mehr befähigen als das, was weltweit einfach aus dem Netz heruntergeladen werden kann.
Herr Bieger, zwischen regional verankert und global vernetzt – der bekannte HSG-Spagat.
Nur als überregional und international ausstrahlende Universität kann die HSG auch «Bildungsexportleistungen» für den Kanton erbringen. So generieren unsere Weiterbildungsprogramme pro Jahr 50 Millionen Franken Umsatz und die HSG für die Region jährlich über 235 Millionen Franken Wertschöpfung. Der wirtschaftliche und gesellschaftliche Nutzen für die Region zeigt sich auch im globalen Wissenstransfer, an dem sich die HSG rege beteiligt und Know-how nach St.Gallen holt.
Herr Kölliker, das tönt nach einem erfolgreichen Ansatz für unsere Welt im 21. Jahrhundert.
Absolut. Gleichzeitig hilft eine erfolgreiche Uni vor Ort zu haben auch dabei, talentierte Köpfe zu uns zu holen bzw. bei uns in der Region zu halten. Diesbezüglich erhoffe ich mir auch vom Joint Medical Master und von der School of Information and Computing Science, die im Rahmen der IT-Bildungsoffensive entsteht, einiges. Diese beiden Projekte werden uns unterstützen, hervorragende Fachkräfte für sehr stark nachgefragte Branchen auszubilden. Das ist ein neuer Trumpf für St.Gallen.
Herr Bieger, Ihre Amtszeit neigt sich dem Ende zu. Was hat Sie im Rückblick am meisten gefreut?
Es ist nicht einfach, neun Jahre auf ein paar Punkte zu reduzieren. Der HSG ist eine Weiterentwicklung im harten Wettbewerb bei gleichzeitiger Umsetzung grosser strategischer Projekte gelungen. Zur Weiterentwicklung gehören etwa die Reform von Studienprogrammen wie der Assessmentstufe oder des Bachelor BWL, die Einführung globaler Profilbereiche oder neuer Karrierewege für den Mittelbau. Und natürlich auch die Reorganisation der Univerwaltung. Auf strategischer Ebene wurden der Joint Medical Master und die School of Information and Computing Science lanciert sowie an der Campus-Erweiterung gearbeitet. Dazu gehört auch die Neustrukturierung der HSG Stiftung und die grosse Fundraising-Kampagne, die den Bau eines Learning Centers als Leuchtturm für das Lernen im digitalen Zeitalter ermöglicht. Wichtig sind auch der Aufbau einer internationalen Summer School in Forschungsmethoden und des START Summit. Ganz besonders wird mir die gute Zusammenarbeit mit der Studentenschaft und den Studierenden, auf die zahlreiche Initiativen zurückgehen, in Erinnerung bleiben. Sie machen die HSG zu dem, was sie ist, eine top Campus-Uni.
Herr Kölliker, zuletzt hat es auch Misstöne bezüglich Spesen und Nebenbeschäftigungen gegeben.
Ich bin zunächst froh, dass wir während der vergangenen intensiven Jahre die Grossprojekte – Bauvorhaben, Joint Medical Master, IT-Bildungsoffensive – erfolgreich in Gang setzen konnten. Das war eine Herkulesaufgabe, die wir in hervorragender Zusammenarbeit mit der Universität gemeistert haben. Zuletzt gab es auch einige turbulente Monate, das ist nicht von der Hand zu weisen. Ich bin aber überzeugt, dass die HSG mit den Massnahmen in Governance und Compliance sowie der Revision des Universitätsgesetzes deutlich gestärkt aus diesem Prozess hervorgehen wird. Wir schaffen nicht nur Klarheit in verschiedenen Bereichen, wir können damit der Bevölkerung und der Politik auch das Erfolgsmodell der HSG erklären.
Herr Bieger, was wünschen Sie sich für die Zukunft der HSG?
Ich wünsche mir, dass sich die HSG treu bleibt in ihrem beherzten Ansatz, verantwortlich handelnde junge Menschen auszubilden. Das heisst für mich eine Ausbildung, die das Verständnis und die Wirkung von Handlungen auf Gesellschaft und Umwelt vermittelt. Und dass die HSG weiter ein Ort bleibt, an dem sich interessante und interessierte Menschen, Studierende, Forschende und Vertreter der Praxis persönlich treffen.